In den Krimis liegt die Wahrheit

«Man entdeckte tatsächlich einige Häuser weiter…» – nein, keine Leiche und auch keine Tatwaffe, wie dies in Krimis so oft zu geschehen pflegt.

Vielmehr handelt es sich um ein Symbol, das heute wieder an Präsenz gewinnt. Viele Menschen hierzulande stellen fest, dass sich vermehrt Haar- und Bartschneider niederlassen. Unter anderem hat dies mit der Migration zu tun.

Der RWB-Zylinder @ Georges Scherrer

In verschiedenen Städten haben Zuwanderer aus dem Nahen Osten ihren traditionellen Barbiershop eröffnet und dies ganz einfach, um den Lebensunterhalt zu sichern.

«Man entdeckte tatsächlich einige Häuser weiter diesen Zylinder …» – genau: dieses Ding, versehen mit drei Streifen: rot, weiss, blau. Und dahinter, im Laden selber, Männer, die etwas fremdländisch wirken und an deren Anblick man sich noch nicht ganz gewöhnt hat. Und was wichtig: Im Raum keine einzige Frau!

Wenn das nicht verdächtig ist!

Er-sie-ich wittert schnell etwas Spezielles: Eine Verschwörung? Ist der rot-weiss-blaue Zylinder, der ohne Unterlass in seinem gläsernen Behälter dreht, ein geheimes Erkennungszeichen? Er verunsichert, vor allem weil man nicht weiss, was hinter diesem auffälligen Signal steckt.

Zwei Wege öffnen sich: Entweder geht man an dieser bedrohlichen Botschaft weiterhin mit misstrauischem Blick vorbei – oder dann auf den Grund. Fundorte können an ganz speziellen Orten ausgemacht werden.

Bei der Schatzsuche im aktuellen Krimi-Dschungel, wo man vor lauter Morden und Toten den einzelnen Baum nicht mehr sieht, gelingt ab und zu ein überraschender Fund. In diesem Fall liefert aus dem Vorborgenen der Literatur niemand Geringerer als Kommissar Jules Maigret den entscheidenden Hinweis.

Blick in Richtung Bronx @ Georges Scherrer

Der Franzose, der von Georges Simenon geschaffen wurde, investigierte für einmal in New York. Die Spurensuche führte ihn bis zur 169 Strasse und somit tief in die Bronx. Dort machte er dieses rotierende Gerät aus: «Man entdeckte tatsächlich einige Häuser weiter diesen Zylinder mit blauen und roten Streifen, der ein Coiffeurgeschäft ankündigt.»

Der Besitzer des Lokals, Angelino, stammte nicht aus Kurdistan, sondern ganz einfach aus Italien. Also, von wegen verkappte Geheimbotschaft irgendwelcher blutrünstiger Hadschinis oder Assassinis, die Bärte tragen. Ganz im Gegenteil.

Heutzutage fasst mit dem Zuzug von Menschen von anderswo her eine alte Tradition wieder Fuss. Es sind Leute, die ein stolzes Standesbewusstsein haben und ihr altes Zunftsymbol wieder aufleben lassen. Wenn ich das gewusst hätte, nie hätte ich in arger Unwissenheit den Satzteil «irgendwelcher blutrünstiger Hadschinis oder Assassinis» geschrieben.

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Die 18 auf dem Rücken

Fred Vargas hat mich nach Liestal entführt. Der Name Fred Vargas ist ein Pseudonym. Er ist zudem eine Hommage der Autorin an ihre Zwillingsschwester Jo Vargas.

Liestal ist ein Ort, der unter diesem Namen existiert. Nicht dass ich dort gewesen wäre, als kürzlich rund 7000 Personen ihr Ego maskenlos durch die Strassen des Städtchens trugen und auf diese Weise Covid bereitwillig den Weg zur Weiterverbreitung ebneten. Nach dem Prinzip: Der Virus soll uns noch lange erhalten bleiben!

Solche Leute, die das Leben und die Gesundheit der Nächsten aus eigennützigen Gründen aufs Spiel setzen und ihr Handeln hinter dem Schlagwort «Freiheit» verstecken, kann man eigentlich nur mit Nichtbeachtung strafen. Könnte man, wenn Fred Vargas nicht wäre! Denn diese Leute tragen eine grosse 18 auf dem Rücken.

Vargas schreibt in ihrem Werk «Pars vite et reviens tard», in welchem auch von einer Seuche die Rede ist, was es mit dieser Zahl auf sich hat. Dazu heisst es im Roman:

«Wieviel sind 18 Prozent von zwei Millionen?»

«Wer sind diese 18 Prozent?»

«Die Leichtgläubigen, die Ängstlichen, die Abergläubischen. Jene, die sich vor Sonnenfinsternissen, vor einem Jahrtausendwechsel, vor Predigern und vor den Weltenden fürchten.»

Ja, jene, die in Liestal in Covid-Zeiten ohne Schutzmaske oder als verschworene Gemeinschaft mit weissen Gesichtsmasken, als hätte sie der Kuckuck aus ihren Eiern herausgerufen, durch die Strassen pilgerten, tragen ein Zeichen auf dem Rücken, das sie niederdrückt. Der Hashtag #NoLiestal wird ihnen helfen, sich wieder aufzurichten.

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Scham

Der Lockdown ist die Zeit, in der es keine Polizeistunde gibt; da alles viel früher schliesst – jetzt, am Abend, am Tag, im Monat und – dem Gefühl nach – schon das ganze Jahr über.

Ich gehe mit dem Hund spazieren. Er ist mein Zeuge. Die Strassen sind leer. Aus den Restaurants dringt nicht einmal Licht.

Es ist kein Dröhnen von Flugzeug-Motoren in der Luft. Zum guten Glück nicht. Es herrscht nicht Krieg. Es herrscht eine andere Atmosphäre. Es ist Friede. Für viele zu viel Friede. Sie möchten auf die Strasse und in die Gaststätten, Boutiquen und Konzertschuppen gehen.

Die wenigen Leute, die auf den schamlos leeren Abendstrassen anzutreffen sind, weichen einander aus – als ob Krieg wäre und der Feind überall.

Der Winter ist es nicht, der die Leute aus den Gaststätten treibt, auch wenn Kristalle vom Himmel fallen, klein wie diese Dinger, die niemand sieht und jeder meidet, so gut er kann.

Unverschämt ist es, wie sich die Stadt zeigt. In dieser Auszeit des gesellschaftlichen Lebens sieht es danach aus, als wolle niemand seine Nase draussen zeigen, sondern diese eingehüllt und eingepackt in einem eigenen Zuhause, der Maske, zurückbehalten, damit sie nichts von diesem Virus erschmeckt. Ja, hinter dem Hygienestoff versteckt sich das Gesicht der Menschen.

Das ist es: Bei den Gaststätten ist es genau umgekehrt. Beizen und Spunten halten ihre Läden dicht, damit niemand sieht, dass niemand in ihnen ist. Sie tun es unverhüllt, makellos und ohne Licht.

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Die Totenraten retten die Medien

Makabres! Das ist kein Zauberwort. Wie etwa Abrakadabra oder Avatar kedavra.

Makaber sind zuweilen die Inhalte, welche die Medien verbreiten. Die Inhalte sind Stoffe der Kriminalliteratur: Leichenteile überall – Abgerissener Fuss gefunden – Kopf abgetrennt – neue Vorrichtungen für den Abschuss von Falschfahrern auf Autobahnen – Frau von herabstürzendem Flugzeugteil erschlagen – Mann mit Smartphone Kabel erwürgt: ein Verbrechen? Das ist die Frage.

Die Zeitungen sind voll solcher Nachrichten, die Eines verbindet: Tote. Covid, das Virus, bedeutet nun für viele Zeitungen selber den Tod.

Der Blätterwald wird dünner, auch die Blätter selber. Nicht weil Covid in ihnen steckt, sondern weil zunehmen die Werbung ausbleibt. Und Zeitungen und Zeitschriften immer weniger als Träger von Werbung dienen.

Die Lockdowns schwächen die Wirtschaft: Sie wirbt nicht mehr. Die Partytempel sind geschlossen: Sie schalten keine Werbung in den Medien. Die Medienträger werden dünner.

Und nun eilen die Toten herbei. Als ob sie geweckt würden und aus den Gräbern stiegen, um den Lebenden zu helfen. Jetzt, in dieser Covidzeit, wird viel gestorben.

Makaber aber wahr: Wo sonst Werbeflächen mit Würsten, Ferienhotels, sanitären Dienstangeboten oder Kreditofferten gefüllt sind, zieren jetzt Reihen Verstorbener, in schwarzen Rahmen zusammengefasste Erinnerungen an die geliebten Gegangenen doppelseitig meine Zeitung, so dass sie sich über Wasser halten kann und das Wasser nicht über ihr zusammenschlägt.

Sie kann finanziell weiter bestehen und die Freiheit der Medien, das Banner der Gemeinschaft der Toten hochaltend, verteidigen und nicht besiegeln.

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Tauwetter im Winter

Ratzekahl fast – nicht das Wetter, aber die frühlingshaft grün schimmernde Wiese.

Ratzekahl fast grau die umliegenden Häuser und der Himmel über ihnen.

Kinder haben sich als Tau erwiesen. Nicht als Schneeschmelze.

Weggeschleppt und weggezerrt haben sie den Schnee und so das Gras mitten im Winter freigelegt, als ob es Frühling wäre.

Kinder haben den Schnee weggeräumt. Nicht als Schneeschieber oder Streuwagen, sondern gewissenhaft und aufs Ziel gerichtet gesammelt.

Kinder verrichten ihren Winterdienst anders als Schneeräumfahrzeuge. Sie haben die Wiese freigelegt – nicht der Wiese wegen.

Sie wollen ein Haus bauen. Doch die Wiese ist klein. Dem Haus fehlen Fenster und Dach. Der aufgehäufte Schnee reicht nicht zum Haus. Wenn schon! Die Mauer steht, nicht hoch, aber steht.

Es bleibt der Eindruck von einem Haus, das dahin schmilzt, mitten im Winter als frühlingshafter Gruss.

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Herbstabschied oder die Maske und die Nuss

Sind Mund und Nase abgedeckt, erhalten die Augen eine ganz andere Bedeutung. Diese unterscheidet sich ganz deutlich vom dunklen Dreiklang: Augen zu, Ohren zu, Mund zu. Ich will nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.

Die Schutzmaske, die dieses Jahr landauf, landab über Mund und Nase getragen wird, verbirgt die Mimik, welche das Gesicht als weiteres Kommunikationsmittel neben Augen, Mund und Gestik einsetzt.

Ja, sicher, das geht ins Auge, wenn man jemandem nicht auf den Mund sieht. Weil eine Maske davor hängt. Und besonders dann, wenn der Blick über die Maske wieder hinauf steigt und dort ins Auge fällt.

Die Blicke verharren kurz ineinander, ganz so, als wollten sie klären, was sich auf und um die Lippen abspielt, die unsichtbar bleiben. Worte ersetzen nicht den Ausdruck des Mundes.

Genauso verhält es sich mit den Nüssen, wenn ihre Präsenz auf dem Speiseteller das Gemüse maskiert. Sie lenken den Blick des Essers auf ganz natürliche Weise ab und hinauf zu den Fettaugen auf dem Fischfleisch und entlarven das Menü: Bei der Platte handelt es sich nicht um eine vegane.

Eine Schutzmaske ist heute nicht nur mehr eine Maske, sondern eine Larve, wie man sie zumeist an Karneval trägt. Die Weiterentwicklung der Masken hat dazu geführt, dass auch die Baumnüsse sich zu Masken entwickelt haben, wenn sie das Gemüse auf einem Teller schmücken.

Die Maske ist in der aktuellen Lage der Pandemie überall. Die Masken greifen um sich. Decken ab, was sie müssen, was sie wollen. Eine Spezie dieser Verhüllnatur hat sich sogar auf den Teller niedergelassen, der vor mir liegt.

Da liegen drei Nüsse auf dem Gemüse und formen als Ganzes eine Maske. Mir gefällt das wunderbar. Die Maske scheucht die Winterdepression weg. Nicht droben in den Bergen, aber drunten im Tal drückt die Kälte, Feuchte, Dunkelheit stark auf das Gemüt.

Die Nüsse markieren, nein maskieren aufs Beste ein Sommergericht, dass kurz vor dem—Einbruch des Winters serviert wird.

Darum! Ein Hoch auf das drei Mal gewetzte Messer und die vierfach angespitzte Gabel, die in adäquater Zusammenarbeit die Speise für den Gaumen vorbereiten und diesem zuführen, und auch auf die Nussmaskerade, die in Winterszeit den Sommer herbeizaubert.

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Die Kaninchenkeule

Rabiat können diese Viecher sein. Das ist unbestritten. In englischer Sprache heissen sie schon fast rabiat: Rabbits! Diese Tierchen!

Und heimtückisch können sie auch sein. Da macht ihnen kein Fuchs nichts nach! Mir widerfuhr solches. Ich wurde ihr Opfer. Und das ist kein Küchenlatein, sondern gelebte Erfahrung. Sie haben mich ganz schön in die Pfanne gehauen. Doch alles der Reihe nach.

Aufgetischt war die gusseiserne Pfanne, jene von der Oma, ein ganz altes Stück, das seit Jahrzehnten seinen Dienst leistet. Weil der Braten in ihr immer gut gerät: gegart, gekocht, gut gezogen.

In dem Fall nichts von einem Braten! Weil vegan. Für einmal. Soll gesund sein. Und das Gemüse in einer Pfanne abgekocht, die auch schon manchen Braten zur Vollendung brachte! Ist ein Risiko.

Das Gemüse dürfte einen Rest von Fleischgeschmack aus der Pfanne gezogen haben können.

Doch kam es viel schlimmer. Die Pfanne ist auf den Tisch gestellt. Tomaten, Bohnen, Kartoffeln. Das leckere Mahl. Ohne Fleischbouillon gekocht. Eine Wohltat für jedes Bio-Vegi-Auge. Auch meines. Geht tief in die Pfanne hinein. Die Nüstern nehmen den Duft des gedämpften Grün- und Rotzeugs auf. Versinken in einer Duftwolke urwüchsiger Natur. Kartoffel schimmert durch.

Doch da der Schock! Das zweite Bild stimmt nicht mehr mit dem ersten überein. Eine Welt zerfällt. Das Gemüse in sich zusammen. Die Fauna hat zugeschlagen.

Das freche Hasenstück hat sich frech versteckt. Guckte in der Pfanne nicht unter dem Kraut hervor. Sondern erst als es im Teller lag, streckte es sein Rückenstück mir keck entgegen.

Nun, die Lehre daraus. Das nächste Mal wird es besser gelingen, ein verganes Mahl auf den Tisch zu bringen.

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Kunst Kultur und Verkehrsknatsch?

Ein Stück Strasse kleidet sich in Kunst

oder ist es doch nur ein Unfall und somit ein kultureller Reinfall?

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Apfel-Rodeo im Büro

Nein, kein Rodeo! Wer reitet schon einen saftigen Apfel – und will sich dabei das Genick brechen?

Sondern direkt eine Corrida! Und das an erhabener Stelle: am Arbeitsplatz, in Spanien ruedo genannt. Hierzulande heisst das Kampfrund ganz einfach Bürotisch. Keine Angst! Auf der Tischplatte wird kein Blutbad angerichtet und auch kein Apfelgepflatsche, kein Apfeladerlass und keine Zerquetschung von Äpfeln.

Das Kampffeld bleibt sauber. Der Apfel weiss sich zu wehren, wie der echte Stier. Der Apfel ist kein falscher Ochs.

Weiss leuchtet die reich verzierte capote, das Kampftuch, das den Apfel herausfordert, die Serviette, die den Schweiss des Apfels aufsaugt, wenn er tropft. Denn der Apfel blutet nicht wie der Stier rot, wie die scharfen Spitzen der Zähne kräftig in das schreiende Fruchtfleisch schlagen, sondern saftet lecker hell.

Der Kampfplatz, die Tischplatte des Büropults nachmittags um drei, ist die rühmliche Arena für den täglichen Kampf gegen den Apfel, der verzehrt werden soll. Keine Scheu vor der Natur! Bitte! Der Apfel darf nicht mit Samthandschuhen angegangen werden.

Er will geschlachtet werden. Sonst passt er nicht ins Maul.

Und vegan-freundlich ist diese Sportart absolut – auch wenn zum Abschluss der Auseinandersetzung eine Leich auf dem Pult liegt: das Bütschgi. Was auf gut Deutsch ideenlos „Apfelrest“ heisst. Die Leiche kennt noch ganz andere Namen: Gröibschi, Gigetschi, Güürbsi, Ghüüs.

Das leckere Ding „Apfel“, ist ihm einmal Hülle und Fleisch abhand gekommen, verdient eine besondere Würdigung. Sein Tod auf dem Arbeitspult hat mehr verdient als ein Abfuhr in ein abgeschmacktes, stinkendes Wörterzusammengefüge. Der Apfelgriebs gehört nicht in den Abfalleimer, aber in den Apfeleimer. Olé! Heisst die Devise der Veganer.

 

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Rückblende in den Frühling

Wie war der Frühling 2020 schon wieder?

Antwort in einigen Bildern.

Wie wird der Sommer 2020 sein?

Die Antwort folgt im Herbst.

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