Die Erleuchtung

Alles beginnt mit dem Fenchel. Das Schneiden. Der Verzehr. Das Nachschieben in den Mund des nächsten Stücks vom grünen Gewächs. Der nächste Schnitt. Das Gefühl, vegan zu essen.

Nicht dass ich etwas gegen Fenchel hätte! Auf dem Teller folgt Reis. Kein Fleisch heute, hat es geheissen! Welche Verheissung!

Fenchel ähnelt mit seinen verschiedenen behaarten Armen, die aus der fülligen Knolle herauswachsen, dem Tintenfisch – vor dem sich etliche Leute ekeln. Sie fürchten, dass dessen Fangarme sie umschlingen, wenn sie als Landbewohner mit dem Meeresgetier in Berührung kommen, auch wenn dieses in tranchierter, gekochter oder gebackener Form auf dem Teller liegt.

Ich grabe mich weiter durch die aufgetischte Speise hindurch.

Geruch von Fleischigem liegt nicht über dem Teller, auch nicht in der Luft.

Ich arbeite mich vor. Im Moment, wie ich in den Reishügel hineinsteche, fliesst von oben herab Zwiebelsauce auf die Gabel. Sie schmeckt köstlich und frisch. Ist angereichert mit Kräutern. Mischt sich mit dem Korn.

Auch diese Tatsache ändert nichts am Verdikt des Tages. Die kalte Dusche der Enttäuschung lässt die Geschmacksnerven vibrieren. Sie hoffen, dass sie wie findige Fische, die das Seeufer oder den Meeresboden absuchen, auf etwas treffen werden, was den Kreislauf der natürlichen, erdgegebenen Essensaufnahme schliesst.

Wärme steigt vom Teller auf. Und etwas Vielsprechendes. Durch Reis und Sauce schimmert Fettiges. Ein fremder Geruch dringt hindurch, will es tun, scheitert am Vegetabilien-Wall. Stösst dennoch vor. Als ein Schluchzen. Als ob ein Stück Fleisch weinte, das durch die Gemüseanrichte nicht hindurch zu riechen vermag. Als ob dessen Duft von Fenchel, Zwiebel und Reis in einem gemeinsamen Kraftakt niedergedrückt würde

Was durch den Gemüse- und Reisaufbau fischelt, ist nicht Fleisch. Fisch drängt an die Oberfläche – hindurch durch alle recht sprechende Speisetheorie und bietet sich an als wahrer Ersatz für das Fasergewebe des verschmähten Landtieres.

Was für ein Tag! Auch wenn nicht Fleisch, so doch Fisch, der die Phalanx der Garten- und Feldküche durchbricht!

Dem Fenchel, ihm sei gedankt, glückt ein charmanter Wurf! Statt des knusprig gerösteten Weidtieres versteckt er ein kulinarisch wohlschmeckendes Wassertier hinter seinen grünen Tintenfischarmen.

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