Archiv der Kategorie: Kurze Texte

Die Kunst des Ungleichgewichts

Geraden und Ovale, Kreis und Kunst – das Bild hängt an der Wand und fällt nicht auseinander. Die vollkommene Bildstruktur schweisst die eingefügten Elemente geradezu zusammen.

Das 1001-Gemälde @ Georges Scherrer

Nichts fliesst – aus dem Bild hinaus. Es hält, was es verspricht.

Eine Momentaufnahme, sagt der gewandte und stilsichere Szenenkenner. Seine Annahme hat auf Dauer nicht Bestand hat. Der Bildinhalt wird gefressen werden und vergehen.

Nein, das wird er nicht! Denn zuvor hat sich dieser in das Hirn der Betrachtenden eingeschlichen und dort die Gedanken gesammelt und geordnet. Das ist die Macht der Kunst.

Wer in diesem Gemälde Strichmännchen erkennt und im Rund Frauen, hat völlig recht.

Das ideale Ungleichgewicht, das die Kunst zelebriert, findet in dem Gemälde stimmig zueinander.

Nichts fällt in diesem Bild aus dem Rahmen. Das Stillleben ist harmonisch zusammengesetzt und fügt sich selbst in einem Teller in vollkommener Eintracht zu einer kulinarischen Harmonie zusammen.

Moderne Kunst, die durch den Magen und nicht durch das Portmonee geht, wie die Liebe, die die Herzen erobert, hat Bestand.

Kunst, die gut verdaut ist, löst sich auf. Kunst die nicht durch den Magen geht, eckt an und bleibt im Halse stecken und wirkt auf der Leinwand öde.

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Macht! Hightech! Dumm?

Fahrräder haben ihre Tücken und selbstverständlich auch ihre Vorteile. Etwa jene, die über einen Elektroantrieb verfügen. Mit diesen Vehikeln wird jeder Pass, bergwärts gefahren, zu Butter. Relaxed und mit Natur pur im Auge erreicht der Radler entspannt die Passhöhe. Oben angekommen, ist das Restaurant die erste Adresse. Entspannung macht unvorsichtig.

Mit der Batterie am Rad spart sich Zeit! Die Sicherheitsleine ist, einmal oben angekommen, locker vom Hocker in den Verzierungshaken des Geländers am Haus eingehängt. Niemand soll das Radel stehlen.

Durchdachte Diebstahlsicherung @ Georges Scherrer

Ganz anders verhält es sich, wenn Herz und Lunge als Antriebsstoff für den Aufstieg zum Bergsattel dienen. Der Sauerstoffverbrauch ist enorm. Entsprechend angeregt wird der Sauerstoffaustausch im Hirn.

Bei der Ankunft oben auf dem Pass hat das Gehirn, obwohl die Wadenmuskeln in Butter sind, die sieben Sinne voll beisammen und nicht entspannt auf die Bar gerichtet. Auch jenen Sinn, der für das Anbringen der Diebstahlsicherung zuständig ist. Die mit Muskelkraft erfahrene Landschaft hat den Vorsichtssinn nicht ausgeschaltet.

Alt und neu – Fahrrad @ Georges Scherrer

Die Sicherheitsleine, sprich das Vorhängeschloss, legt der physisch leicht ermüdete Radfahrer, der während der Aufstiegsstrapaze seinem Bike stark verbunden war, fachgerecht um Rahmen und Rad und einen sicheren Pfosten. Denn er weiss um den Wert seines fahrbaren Untersatzes. Er will nicht, dass das geliebte Fahrzeug gestohlen wird.

Das Herz von einem Fahrrad @ Georges Scherrer

Ein persönliches Fahrrad lässt sich nicht so einfach ersetzen wie ein mit Geld zwar teuer aber sonst billig erstandenes Hightechgefährt. Geld macht das Leben leicht. Es befreit jedoch nicht vom Schloss, das sich bei zu viel Hightech um den Kopf legt und die Sicht auf die Wirklichkeit verschliesst.

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Das lächelnde Gesicht

Das Gesicht @ Georges Scherrer

Sie oder er war ein Mensch wie du und ich. Oder vielleicht nicht ganz. Es gibt Menschen, die es auch im Tod nicht lassen können und das Maul aufreissen.

Will heissen: Sie haben auch nach ihrem Sterben das Streben, etwas zu sagen. Die meisten Menschen tun dies über ihr Testament. Andere hinterlassen Bücher, die noch lange auf die Lebenden einwirken, oder eine Politik, die noch lange nachhallt.

Und wieder andere haben ihren ganz eigenen Weg gefunden. Sie erfreuen in einer Schädelwand die Vorübergehenden mit ihrer ansteckenden Freude im Gesicht.

Der Chor der Schädel, wie er in verschiedenen Beinhäusern zusammentritt, ist sogar etwas für das Ohr, wenn man sich die Knochen genau anschaut. Wenn dem Schädel sein Kiefer belassen wird, dann könnte das Gebilde, das auf diese Weise wieder zu einem Gesicht wird, durchaus etwas zum Besten geben.

Im Fall des Beinhauses von Leuk hat der Kerl oder die Dame mit dem kecken Maulaufriss etwas aus dem Jenseits hinter der Wand zu berichten. Das ist gewiss. Sonst würde die Gestalt nicht solcherart die Kiefer spreizen.

Zu sagen hat sie was, die Gestalt. Denn sowohl zur Rechten wie zur Linken und darunter wie darüber hören die Schädel im Gedränge der Wand offenen Auges andächtig dem zu, was gesagt wird.

Sie und er sind im Tode gleich, verkünden hüben und drüben Religion und Ethik – und doch nicht ganz, wie die Schädelwand beweist.

Die Wand @ Georges Scherrer

Das Sie und Er erlischt. Es bleibt aber der kecke, freche Verkünder jenseitiger Wahrheit, die eine Verkünderin ist, jenes Jenseits des Wissens, von dem wirklich niemand weiss, was dort abgeht. Ausser jenen, die dort sind.

Es wird in jenem Sein sogar getanzt! sagt der Schädel in der Wand. Freut euch! Langweilig ist es uns nicht. Wähl nur den richtigen Weg, Sterbliche.

Nach dem Hinschied geht es ab ins Vergnügen. Ihr nennt es Hölle. Wir den Ort, wo wir es lustig haben, weil dort – bekanntlich – die interessanteren Leute ihre Ewigkeit verleben als im Himmel.

Das könnte die Botschaft sein, die uns die Fratze im Schädelwerk von Leuk mit lächelndem Gesicht mitteilt.


Für Leute, die das Thema weiter intieressiert, gibt es Ende Mai das Festival „hallo-tod“

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Herr Adamsberg

Handelt es sich bei dieser Erhöhung um den Adamsberg oder den Venusberg? ? @ Georges Scherrer

Der Boxberg stellt unweigerlich nicht die Verbindung zu Paris her. Obwohl es dort einen Oberkampf gibt. Jetzt hat sich in der Seinestadt der Adamsberg hinzugesellt.

Allesamt merkwürdige Namen. Faust hat den Boxberg weltberühmt gemacht. Nicht minder verhält es sich mit jenem Berg, den Richard Wagner in seiner Oper Tannhäuser literarisch verklärt als Venusberg präsentierte.

Jetzt ziehen die Franzosen nach. Nicht mit dem Oberkampf, dem germanisch angehauchten Namen eines Stadtbezirks in der französischen Hauptstadt. Aber mit diesem Adamsberg. Ein ganz suspekter Name. Wer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, kann sich unter ihm nichts vorstellen.

Bei diesem Adamsberg handelt es sich um den Namen eines Kommissars. Der Autor, der eine Autorin ist, stellt diese Gestalt als einen Mann dar, der dem Venusberg, in welchem Tannhäuser seine Lüste auslebt, gar nicht abgeneigt ist, obwohl er zölibatär lebt.

Der Name lässt gewisse Rückschlüsse auf den Venusberg, beziehungsweise Venushügel, zu. Von der Venus zum Adam ist es nicht weit. Letzterer liess sich bekanntlich durch einen Apfel verführen und gab seiner Geschlechtlichkeit freien Lauf.

Ob die französischsprachige Autorin mit dem maskulinen Pseudonym Fred Vargas um diese Zusammenhänge weiss, sei dahingestellt. Der Adamsberg ist jedenfalls ein schönes Spiel auf der Tastatur des Genderkarussells.

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Pandemie

Ich lese und lese und mit jedem Buchstaben, den ich aufnehme, wächst die Sehnsucht nach Ferne, auf eine Reise. Fremde, auch bekannte und vertraute Länder, Gegenden und Städte sind jedoch weit weg, wegen den Reiseverboten und Einschränkungen unerreichbar. Die Gedanken gehen dorthin, doch der Körper reist nicht mit. Die Fantasie bewegt sich an einem Stock fort. Sie humpelt, kommt kaum vorwärts.

Pandemie-Vergnügen @ Georges Scherrer

Mir jedem Buch, das ich lese, entfernt sich die äussere Welt von der inneren Welt. Über Streaming kommt die äussere Welt zu mir herein. Ich möchte aber zu ihr hinaus. In die Konzerte, Cafés und Bars, Musen sehen in den Museen und Menschen auf den Strassen und an den Stränden. Ich möchte wieder tief in die Welt eintauchen.

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In den Krimis liegt die Wahrheit

«Man entdeckte tatsächlich einige Häuser weiter…» – nein, keine Leiche und auch keine Tatwaffe, wie dies in Krimis so oft zu geschehen pflegt.

Vielmehr handelt es sich um ein Symbol, das heute wieder an Präsenz gewinnt. Viele Menschen hierzulande stellen fest, dass sich vermehrt Haar- und Bartschneider niederlassen. Unter anderem hat dies mit der Migration zu tun.

Der RWB-Zylinder @ Georges Scherrer

In verschiedenen Städten haben Zuwanderer aus dem Nahen Osten ihren traditionellen Barbiershop eröffnet und dies ganz einfach, um den Lebensunterhalt zu sichern.

«Man entdeckte tatsächlich einige Häuser weiter diesen Zylinder …» – genau: dieses Ding, versehen mit drei Streifen: rot, weiss, blau. Und dahinter, im Laden selber, Männer, die etwas fremdländisch wirken und an deren Anblick man sich noch nicht ganz gewöhnt hat. Und was wichtig: Im Raum keine einzige Frau!

Wenn das nicht verdächtig ist!

Er-sie-ich wittert schnell etwas Spezielles: Eine Verschwörung? Ist der rot-weiss-blaue Zylinder, der ohne Unterlass in seinem gläsernen Behälter dreht, ein geheimes Erkennungszeichen? Er verunsichert, vor allem weil man nicht weiss, was hinter diesem auffälligen Signal steckt.

Zwei Wege öffnen sich: Entweder geht man an dieser bedrohlichen Botschaft weiterhin mit misstrauischem Blick vorbei – oder dann auf den Grund. Fundorte können an ganz speziellen Orten ausgemacht werden.

Bei der Schatzsuche im aktuellen Krimi-Dschungel, wo man vor lauter Morden und Toten den einzelnen Baum nicht mehr sieht, gelingt ab und zu ein überraschender Fund. In diesem Fall liefert aus dem Vorborgenen der Literatur niemand Geringerer als Kommissar Jules Maigret den entscheidenden Hinweis.

Blick in Richtung Bronx @ Georges Scherrer

Der Franzose, der von Georges Simenon geschaffen wurde, investigierte für einmal in New York. Die Spurensuche führte ihn bis zur 169 Strasse und somit tief in die Bronx. Dort machte er dieses rotierende Gerät aus: «Man entdeckte tatsächlich einige Häuser weiter diesen Zylinder mit blauen und roten Streifen, der ein Coiffeurgeschäft ankündigt.»

Der Besitzer des Lokals, Angelino, stammte nicht aus Kurdistan, sondern ganz einfach aus Italien. Also, von wegen verkappte Geheimbotschaft irgendwelcher blutrünstiger Hadschinis oder Assassinis, die Bärte tragen. Ganz im Gegenteil.

Heutzutage fasst mit dem Zuzug von Menschen von anderswo her eine alte Tradition wieder Fuss. Es sind Leute, die ein stolzes Standesbewusstsein haben und ihr altes Zunftsymbol wieder aufleben lassen. Wenn ich das gewusst hätte, nie hätte ich in arger Unwissenheit den Satzteil «irgendwelcher blutrünstiger Hadschinis oder Assassinis» geschrieben.

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Die 18 auf dem Rücken

Fred Vargas hat mich nach Liestal entführt. Der Name Fred Vargas ist ein Pseudonym. Er ist zudem eine Hommage der Autorin an ihre Zwillingsschwester Jo Vargas.

Liestal ist ein Ort, der unter diesem Namen existiert. Nicht dass ich dort gewesen wäre, als kürzlich rund 7000 Personen ihr Ego maskenlos durch die Strassen des Städtchens trugen und auf diese Weise Covid bereitwillig den Weg zur Weiterverbreitung ebneten. Nach dem Prinzip: Der Virus soll uns noch lange erhalten bleiben!

Solche Leute, die das Leben und die Gesundheit der Nächsten aus eigennützigen Gründen aufs Spiel setzen und ihr Handeln hinter dem Schlagwort «Freiheit» verstecken, kann man eigentlich nur mit Nichtbeachtung strafen. Könnte man, wenn Fred Vargas nicht wäre! Denn diese Leute tragen eine grosse 18 auf dem Rücken.

Vargas schreibt in ihrem Werk «Pars vite et reviens tard», in welchem auch von einer Seuche die Rede ist, was es mit dieser Zahl auf sich hat. Dazu heisst es im Roman:

«Wieviel sind 18 Prozent von zwei Millionen?»

«Wer sind diese 18 Prozent?»

«Die Leichtgläubigen, die Ängstlichen, die Abergläubischen. Jene, die sich vor Sonnenfinsternissen, vor einem Jahrtausendwechsel, vor Predigern und vor den Weltenden fürchten.»

Ja, jene, die in Liestal in Covid-Zeiten ohne Schutzmaske oder als verschworene Gemeinschaft mit weissen Gesichtsmasken, als hätte sie der Kuckuck aus ihren Eiern herausgerufen, durch die Strassen pilgerten, tragen ein Zeichen auf dem Rücken, das sie niederdrückt. Der Hashtag #NoLiestal wird ihnen helfen, sich wieder aufzurichten.

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Scham

Der Lockdown ist die Zeit, in der es keine Polizeistunde gibt; da alles viel früher schliesst – jetzt, am Abend, am Tag, im Monat und – dem Gefühl nach – schon das ganze Jahr über.

Ich gehe mit dem Hund spazieren. Er ist mein Zeuge. Die Strassen sind leer. Aus den Restaurants dringt nicht einmal Licht.

Es ist kein Dröhnen von Flugzeug-Motoren in der Luft. Zum guten Glück nicht. Es herrscht nicht Krieg. Es herrscht eine andere Atmosphäre. Es ist Friede. Für viele zu viel Friede. Sie möchten auf die Strasse und in die Gaststätten, Boutiquen und Konzertschuppen gehen.

Die wenigen Leute, die auf den schamlos leeren Abendstrassen anzutreffen sind, weichen einander aus – als ob Krieg wäre und der Feind überall.

Der Winter ist es nicht, der die Leute aus den Gaststätten treibt, auch wenn Kristalle vom Himmel fallen, klein wie diese Dinger, die niemand sieht und jeder meidet, so gut er kann.

Unverschämt ist es, wie sich die Stadt zeigt. In dieser Auszeit des gesellschaftlichen Lebens sieht es danach aus, als wolle niemand seine Nase draussen zeigen, sondern diese eingehüllt und eingepackt in einem eigenen Zuhause, der Maske, zurückbehalten, damit sie nichts von diesem Virus erschmeckt. Ja, hinter dem Hygienestoff versteckt sich das Gesicht der Menschen.

Das ist es: Bei den Gaststätten ist es genau umgekehrt. Beizen und Spunten halten ihre Läden dicht, damit niemand sieht, dass niemand in ihnen ist. Sie tun es unverhüllt, makellos und ohne Licht.

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Die Totenraten retten die Medien

Makabres! Das ist kein Zauberwort. Wie etwa Abrakadabra oder Avatar kedavra.

Makaber sind zuweilen die Inhalte, welche die Medien verbreiten. Die Inhalte sind Stoffe der Kriminalliteratur: Leichenteile überall – Abgerissener Fuss gefunden – Kopf abgetrennt – neue Vorrichtungen für den Abschuss von Falschfahrern auf Autobahnen – Frau von herabstürzendem Flugzeugteil erschlagen – Mann mit Smartphone Kabel erwürgt: ein Verbrechen? Das ist die Frage.

Die Zeitungen sind voll solcher Nachrichten, die Eines verbindet: Tote. Covid, das Virus, bedeutet nun für viele Zeitungen selber den Tod.

Der Blätterwald wird dünner, auch die Blätter selber. Nicht weil Covid in ihnen steckt, sondern weil zunehmen die Werbung ausbleibt. Und Zeitungen und Zeitschriften immer weniger als Träger von Werbung dienen.

Die Lockdowns schwächen die Wirtschaft: Sie wirbt nicht mehr. Die Partytempel sind geschlossen: Sie schalten keine Werbung in den Medien. Die Medienträger werden dünner.

Und nun eilen die Toten herbei. Als ob sie geweckt würden und aus den Gräbern stiegen, um den Lebenden zu helfen. Jetzt, in dieser Covidzeit, wird viel gestorben.

Makaber aber wahr: Wo sonst Werbeflächen mit Würsten, Ferienhotels, sanitären Dienstangeboten oder Kreditofferten gefüllt sind, zieren jetzt Reihen Verstorbener, in schwarzen Rahmen zusammengefasste Erinnerungen an die geliebten Gegangenen doppelseitig meine Zeitung, so dass sie sich über Wasser halten kann und das Wasser nicht über ihr zusammenschlägt.

Sie kann finanziell weiter bestehen und die Freiheit der Medien, das Banner der Gemeinschaft der Toten hochaltend, verteidigen und nicht besiegeln.

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Tauwetter im Winter

Ratzekahl fast – nicht das Wetter, aber die frühlingshaft grün schimmernde Wiese.

Ratzekahl fast grau die umliegenden Häuser und der Himmel über ihnen.

Kinder haben sich als Tau erwiesen. Nicht als Schneeschmelze.

Weggeschleppt und weggezerrt haben sie den Schnee und so das Gras mitten im Winter freigelegt, als ob es Frühling wäre.

Kinder haben den Schnee weggeräumt. Nicht als Schneeschieber oder Streuwagen, sondern gewissenhaft und aufs Ziel gerichtet gesammelt.

Kinder verrichten ihren Winterdienst anders als Schneeräumfahrzeuge. Sie haben die Wiese freigelegt – nicht der Wiese wegen.

Sie wollen ein Haus bauen. Doch die Wiese ist klein. Dem Haus fehlen Fenster und Dach. Der aufgehäufte Schnee reicht nicht zum Haus. Wenn schon! Die Mauer steht, nicht hoch, aber steht.

Es bleibt der Eindruck von einem Haus, das dahin schmilzt, mitten im Winter als frühlingshafter Gruss.

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