ph Clan
Der Tod ist überall gleich und ebenso die Beziehung des Kindes zur Mutter. Ob auf dem hiesigen Kontinent oder auf einem anderen: Das Kind will weiter, als die Mutter will. Auf seiner unentwegten Jagd nach originellen Entdeckungen hält es die zumeist erheblich strapazierten Eltern unablässig auf Trab. Zum permanenten Leidwesen von Vater und Mutter lässt das eifrige Kind, solange es über hinreichend Kraft verfügt, die ermattende Müdigkeit es nicht in den Schlaf holt, in seinem beharrlichen Tatendrang nicht nach. Die abgemessenen Entdeckungsräume werden immer weiter, die erkämpften Jagdgründe immer grösser. Die bienenfleissig ausgeübte Übersicht der Eltern stösst an immer neue, immer wieder neu überraschende Grenzen, die sich um das Kind aufbauen, die das Kind in fleissiger Arbeitslust um sich zieht. Nach dem Prinzip: Arbeit ist Abgrenzung.
Die Jagd begleitet den Menschen sein ganzes Leben hindurch, und wenn er diese aufgibt, dann ist das Ende bald nahe und der geistige Verwesungszustand setzt unweigerlich ein. Diesen langsam den Lebenswillen lähmenden Prozess erreichen psychisch viele vor ihrem eigentlichen Alter gealterte Leute längst vor ihrem leiblichen Tod. Doch bis es so weit ist mit dem physischen Zerfall oder vorzeitig eingetretenen Verfall der Eigeninitiative, dem Fall des eigenen Lebensmutes bis hin zur zerebralen Ermattung, gibt es viel zu tun, so viel anzupacken, dass es dem Menschen an Langweile gebricht, wenn er auf der Jagd ist.
Ein Mensch, so bald er gehen kann, auf allen Vieren, und auch schon vorher, kriechend, rollend, robbend, macht sich als immer wiederkehrender Ausbund der steten Erneuerung, von einer Generation zur nächsten, daran, die althergebrachten und bewährten Errungenschaften der Erwachsenen – und seien es auch nur die Spielsachen –, an den Kragen zu fahren, in ihre Bestandteile auseinander zu reissen. Diese muntere Jagd setzt schon früh ein. Sie führt dazu, dass die allgemein gültige Ordnung der Eltern schon frühzeitig aus ihrem vertrauten Raster fällt und diese zwangsläufig merken, dass das bisher zuverlässige Ruder, das ihren Vorstellungen über das, was richtige Erziehung darstellt und kompromisslos die richtige Richtung wies, mit der Zeit in neue Richtungen und somit ungeahnte Gefilde führt. Was sie mit fester Hand steuerten, gleitet ihnen aus der nach wie vor hart zugreifenden Hand; die sich jedoch immer mehr mit dem aalglatten Schmiermittel wachsenden, sich befreienden Lebens füllt.
Die Jagd führt zu einer grossen Unruhe. Sie steckt den Menschen ein Leben lang an; und wenn sie ihn nicht mehr ansteckt, dann ist er für das Leben immun. Das Leben entspricht einem immer neuen Aufstehen, nachdem der ursprünglich überlegen Jagende selber zum leidvoll Gejagten geworden ist, nicht nur getrieben vom eigenen Hunger, sondern gejagt durch den hungrigen oder machtgierigen Nächsten. Er passt sich schliesslich jener unausweichlichen Bestimmung an, die einen unumgänglichen Teil des täglichen Lebens bildet, nämlich jener, dass auch der beste Jäger gegebenermassen einmal strauchelt.