zxv Elham
Es gibt Regeln und den regelnden gesunden Menschenverstand. Zu diesem legen die Kinder den Grundstein immer wieder neu.
Die Vorstellungskraft stellt das Brett auf den Kopf, so dass alle Figuren runter fallen und diese keinen Regeln mehr gehorchen – der Regel gehorchen muss aber Kurts Wurf: Der Würfel zeigt eine Sechs.
Grosses, fast betretenes Schweigen, möchte ich schreiben, angesichts der freiheitlichen Gedanken, die eben geäussert wurden. Denn Kurts eigene Regel für die, wie er sagt, unparteiische Verteilung der süssen Nachspeise, zwingt sich über Kurts gelungenen Wurf uns allen freiheitsraubend wieder auf. Diesem Diktat jedoch beugen wir uns ohne Sträuben. Vor allem auch, weil wir vor diesem den Kniefall schon längst vollzogen haben, in dem wir jene, die ihr Dessert bereits ausgewählt haben, gewähren liessen, und das, was diese übrig lassen, unangetastet liegen lassen, die Ordnung also nicht ausser Kraft setzen, indem wir unsere Dessertgabeln kühn in das Dessertbuffet oder viel mehr in das, was von ihm als Rest noch der Aufteilung harrt, stossen, bevor der Würfel für uns Wartenden auch gefallen ist.
Die Auswahl auf der Platte ist nicht mehr gross. Kurt entscheidet sich schnell. Er wählt die Maronenterrine mit Wildschweinbraten an garnierendem Waldbeerenkompott.
Vier Desserts verbleiben. Auch Kurt greift bei seiner Terrine mit dem langen Namen nicht zu, sondern lässt die etwas wilde Komposition vor sich auf dem Teller liegen, ohne sie anzutasten.
Der Würfel wechselt jetzt nur noch zwischen vier Personen: Kabar, Kaspar, Nadja und Arigia. Wer von den Vieren wird das Nachsehen haben und von der Nachspeise mit dem Vorlieb nehmen müssen, was als Letztes bleibt? Die Vier schauen sich an und dann die lockende Schicksalsplatte.
Vonwegen Demokratie! Wir wollen es wie die Kinder halten und Spass am Spiel haben, uns nicht verdriessen lassen von dem, was bleibt, sondern zuversichtlich auf den Würfel blicken, der uns von der ganzen Warterei befreit. Wirf den Würfel! Er soll uns hurtig den Weg zum Verspeisen der Nachspeise bahnen.
Werft, ohne kindisch zu werden.
Nur nichts gegen die Kinder. Sie haben uns Erwachsenen gegenüber den grossen Vorteil, dass sie, wenn sie auf ein Schachbrett gestellt werden, sich nicht irritieren lassen von Vorschriften, die den eigenen Raum einengen. Sie ziehen die Figuren nach Regeln, die sie spontan erfinden.
Kindisch werden schaltet jede Ordnung aus.
An dieses Prinzip werden wir uns halten und den Würfel sein lassen.
Nichts da. Das Diktat der Mehrheit hat bereits die Mehrheit der Desserts verteilt. Jetzt wird nicht gemogelt und das Dessert in Absprache untereinander ausgemacht.
Kinder spielen Schach nach anderen Regeln als die Erwachsenen.