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Es sei erlaubt, eine weitere Beobachtung anzubringen. Der Unterschied in der Grösse zwischen den mächtigen Menhiren und ihren zum Teil sehr schmächtigen Anverwandten ist beträchtlich. Jetzt, wiederum von Westen her gesehen, bietet sie doch ein tolles Phänomen: Wenn man an den grossen Menhiren vorbei schreitet, dann öffnet sich auf einmal der Blick über dieses geheimnisvolle, in die rohe Natur eingefügte Gemälde, das aus zahlreichen Klötzen besteht, hinweg in die sich dahin ziehende Weite bis zum schmalen Horizont, wo perspektivisch alles viel kleiner wirkt.
Die satten, klaren Linien mit den immer niedriger werdenden Steinen verstärken den untrügerischen Eindruck der perspektivischen Redimensionierung, den die Ebene von Natur aus gibt, indem sie die Dinge in der Ferne immer winziger erscheinen lässt. Die immensen Steinstreifen übertragen quasi das Bild, das die Natur von sich gibt, auf sich selber, wenn sie sich in der Weite der Ebene verliert, wo mit den wachsenden Distanzen schliesslich sogar die Berge wie Winzlinge daher kommen, als Riesen sich aber nach wie vor auf bauen, wenn man vor ihnen steht. Diese an sich doch überraschende Übereinstimmung von natürlicher und künstlicher Perspektive mag Zufall sein. Das Zusammentreffen einer geometrischen Eigenart der Natur und ihrer baulichen Entsprechung in den Linien, welche den Ort am oberen linken Zipfel des europäischen Festlands berühmt gemacht haben, mag wie vom Autor dieser Studie herbei geredet anmuten. Gewiss, wer weiss, vielleicht erzählen die Steine von Carnac doch lediglich nur die Geschichte von Riesen und Zwergen, die sich als freche Gnomen im Angesicht von wässrigen Nymphen über dem langgestreckten, sandigen Grund am schmalen Gestade des abweisenden Meeres zu toll tummelten und schliesslich in ihrer Position, einen paradierenden Gleichschritt imitierend, urplötzlich versteinert erstarrten.
Im Herbst, wenn die Nebel als Schwaden im Reigen über den Ebenen treiben, legt sich auf die Menhirereihen ein ganz eigenartiges Licht, das den hochberühmten Platz in eine ganz spezielle Atmosphäre taucht. Die Verbindung zur verborgenen Welt, welche die Märchen und Naturgeister prägen, wird dann fast greifbar. Man müsste mit einem entsprechenden Buch dorthin reisen und es im klammen Wind, der vom allmächtigen Atlantik her weht, mit vor Kälte schlotternden, blauen Fingern lesen.
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