sch-ach-zwa-Pflicht

zwa Pflicht

 

Wenn sich die Bewohner der Bucht von Quibéron vor sechstausend Jahren zu einem Spaziergang durch die Menhirefelder auf machten, dann stiegen sie in eine eigenartige Welt ein. Kein Wald, in welcher vor lauter Stämme der einzelne Baum nicht mehr ausgemacht werden konnte, nahm sie auf. Sie betraten vielmehr, vom Westen, vom Meer her kommend, also von dort, wo sich, wie heute anzunehmen ist, das Siedlungsgebiet befand, einen Bezirk, in dem jeder Menhir wie eine gezähmter Riese oder gebändigter Zwerg auf einem klar definierten Platz stand.

Der Besucher schritt voran wie durch einen Wald aus Steinen, in welchem im Gegensatz zum naturbelassenen Wald jeder Stamm klar für sich in die Höhen ragte. Der Besucher schritt voran, begleitet von jenen, die den Ort bereits kannten. Sprach man miteinander oder schwieg man ehrfürchtig, tief beeindruckt, gar eingeschüchtert durch den gigantischen Bau? Auch diese Frage wird ewig offen bleiben.

Mit welchen Worten und Sätzen hätte man miteinander reden können? Welche Rhetorik war dem damaligen Carnac eigen? Wir, heute, verfügen über einen beträchtlichen Wortschatz, um zu beschreiben und mit zu teilen, was wir sehen und empfinden. Diese Vielfalt der Worte entwickelte sich mit der Zeit. Wir kennen das Wort Diagonale. Welche Worte waren vor sechstausend Jahren am Gestade des Atlantiks bekannt?

Wenn eine neugierige Gruppe von Gästen oder Durchreisenden zur Zeit des Baus von Carnac erstmals durch die imposanten Reihen der gewaltigen Steinkonstruktion schritt, dann traf sie vor sich und zu ihren Seiten auf äussert grossformatige und somit beeindruckende Gebilde, welche die dahinter liegenden Steingefüge zum Teil verdeckten. Manch ein aufmerksamer Beobachter wird entdeckt haben, dass, wenn er sich bewegte, einen Schritt zurück trat oder einen solchen vorwärts tat, im Schreiten stockte oder etwas zurück ging, ein neues Artefakt hinter anderen auftauchte. Kurz: Indem der interessierte Geistesarbeiter physisch in den würdevoll ruhenden Alignements, faul da liegend wie eine gemächlich wiederkäuende Kuhherde, herum manövrierte, kam Bewegung in den quasi dreidimensional auflebenden Anblick der an und für sich leblosen Steine. Die anfänglich vorwärts und seitwärts gezogenen Linien lösten sich in ihrer steifen Klarheit auf, wenn der solcherart in seiner Wissbegier angereizte Erdenbürger quer durch die Steinzeilen blickte, obwohl jeder Stein nach wie vor am gleichen Ort stand. Heute weiss man, dass man diesen Perspektivenwechsel mit dem Begriff diagonal beschreiben, mit Worten einfassen kann.

Fortsetzung

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