zfm Fusstritten
Uns verschlägt es ein weiteres Mal schier den Atem, wie Kurt Schuster die beiden Poulethälften trennt, diese mit einem behutsamen Griff der Scherenmesser sachte auf die Gans nieder sinken lässt, die Stücke zurecht schiebt, so dass die beiden Geflügel als ein anschauliches Gebilde zu einem fleischlichen Haufen zusammen liegen, ineinander gegangen wie zwei völlig nackte Körper, die sich zum Liebesakt verbinden.
Im Zentrum der Komposition befindet sich ein weiteres Huhn, ungeöffnet, vielmehr ein kleines Huhn, eine Wachtel. Wir sind uns schnell einig, dass es sich um eine Wachtel handelt.
Das arme Huhn, so fest eingesperrt, die ganze Zeit! entfährt es Nadja. Es muss ja ungeheuer heiss gehabt haben!
Meine Liebe, klein aber fein, eine Wachtel, beruhigt sie Wilhelm. Wachteln sind sehr zarte Geschöpfe. Sie halten keinen grossen Druck aus. Sie zerbrechen sehr schnell. Sie haben für ihre Grösse starke Knochen. In unseren Händen sind sie jedoch schwach. Etwas Druck und schon kracht es. Dieses Exemplar sieht aber ganz danach aus, als verfüge es noch über ein intaktes Gerippe und entfernte Eingeweide. Es schaut nicht danach aus, als sei bei der Zubereitung Gewalt angewandt worden.
Die Wachtel wirkt nicht zusammen gestaucht. Sie verfügt über ihre volle, natürliche Rundung.
Also wahrlich, diese Gans ähnelt einer Rose, die geöffnet worden ist.
Eine fleischerne Rose, die sich geöffnet hat, und in ihrer Mitte eine Knospe, die von einer delikaten Haut überzogen ist, die Wachtel.
Sie bildet einen absoluten Kontrapunkt zur immensen Hülle, die ursprüngliche das Huhn umfasste; fast eine scheue Note, die sich dreist vom ganzen Fleischkonzert um sie herum abhebt.
Klein, zierlich, rund, eine Knospe, die in ihrem Blumenkranz aus Fleisch darauf wartet, geöffnet zu werden.