xv Gespenst
Im Lokal war das Licht leicht gedimmt. Schatten warfen die Leute keine. Etliche Lampen verbreiteten ein schales Licht, ohne aber die Ecken und geheimen Winkel des Ortes kantig auszuleuchten. Viele Farben, welche den Raum bei Tageslicht satt schmückten und zierten, wurden nicht ausgearbeitet, sondern verschmolzen zu einem warmen Ton, der das ganze Lokal beherrschte.
Ton kam auch aus den Lautsprecherboxen. Aus diesen ergoss sich der Schatz der unvergesslichen Melodien vergangener und kommender Künstler und mischte sich in den Bar-Slang. Man stand, sass und hing an der Theke und niemand tat sich dabei weh. Notfalls rückte man näher zusammen, wenn jemand an den Ausschank drängte oder ganz einfach an den Leuten vorbei wollte, welche sich entlang dem Verkaufstresen aufhielten und Bardame und Durchgangsweg belagerten. Jeder wusste, wo das „Irgendwo hin“ lag, und wusste es jemand, ein Neuankömmling, nicht, so wies man ihm den direkten Weg zum genannten Ort.
Das Zusammenrücken bescherte kein Problem, denn die meisten Gäste standen. So mussten keine Stühle gerückt werden. Die wenigen Stühle an den Tischen waren besetzt und wurden von den Umstehenden bedrängt. Was aber auch wieder niemanden störte, auch wenn eine Jacke zuweilen lose über einen fremden Rücken strich.
Die übliche Kettenreaktion wurde im Lokal auch ausgelöst, als Wladimir und Vladidir eintraten. Beide hatten ihre Stümpfe bis in die Leisten hochgezogen, kamen also ganz so, wie man sie kannte. Von weitem bereits erkannten Personen, welche die beiden zum ersten Mal sahen, dass es sich nicht um ein Paar handelte, das sich in Trauer befand.
Das schrille Duo wurde von verschiedenen Seiten lautstark begrüsst. Dem edlen Paar gewährte man den Durchgang.
Dem Lokal gereichte es zur Ehre, dass sich die Beiden hier zeigten. Das hiess, dass der Ort zu jenen Bereichen gehörte, die in der Stadt als „in“ galten und entsprechend eine Stammkundschaft anzogen. Die neu hinzu Gekommenen gesellten sich sehr schnell zu einem Kreis, der sich um einen der Stehtische gebildet hatte.
Dem Zweiergespann gelang es jedoch nicht, jenes Thema in die Ecke zu weisen, welches an diesem Abend ganz allgemein den Klatsch beherrschte.
Es ging um diese Maroni. Sie war der Gesprächsstoff, der die Stadt im Banne hielt und von einem Ende zum anderen mit viel Gerede füllte. Eine einzelne Marone. Die Marone! Man häckselte sie mit vielen Worten durch, wollte wissen, was es mit dieser Maroni, Marone auf sich hatte. Dennoch blieb sie ein Ganzes, das nichts von sich Preis gab; stritt sich, ob es sich um eine Maroni oder, mehr poetisch, um eine Marone handelte.
Vor allem die Vegetarier rief es auf den Plan, hörten sie sich an, was bezüglich dieser einzelnen Nuss herum geboten wurde.
Der Streit entzündete sich bereits an der Frage, ob eine Maroni eine Nuss sei. Niemand im ganzen Lokal war solcherart ausgebildet, dass er auf diese Frage eine Antwort geben konnte. Das Wissen um die Matrone erwies sich als sehr eingeschränkt.
Am ganzen Klamauk um diese „eine Maroni“ beteiligte sich an diesem späten Abend doch nicht das ganze Lokal.