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„Liebesroman. Da geh ich viel lieber einsam durch die Strassen und suche dort nach Inspirationen. Und dann, das muss ich sagen, sehe ich manches, das mich bestärkt, mich zugunsten der Wissenschaft uneingeschränkt von jedem Liebesleben fern zu halten. Nachts und Tags. Der Tag setzt mir seine Grenzen. Ich bin dann nicht frei und kann nicht absolut flexibel über meine Zeit verfügen und an einem solchen Ort wie diesem mit jedem ein Glas anstossen. Wenn mir jemand ein Glas Champagner anbietet, weil er in seiner Verzweiflung mit irgendjemand auf seine Scheidung anstossen will, dann kann ich nicht Ja sagen, sofern es Frühnachmittag ist. Mein Dienst ruft mich, mein Dienstplan schränkt mich in meinem freien Handeln ein. Zu dieser frühen Tageszeit wirkt sich zudem dieser Saft Champagner schlecht auf meine Leber aus. Solchen Angelegenheiten muss man tagsüber aus dem Weg gehen. In der Nach hingegen helfen sie, den Durst nach feinen Gefühlen zu löschen. In der Nacht liegt viel Kraft.“
„Und jetzt Tiefenpsychologie. Du versteigst dich in den Etagen der Wissenschaft. Es ist aber trotzdem interessant, dass du das sagst. Die Nacht ist aber für viele der schlimmste Augenblick der Einsamkeit, wenn sie allein im Bett liegen und kein Atem von nebenan kommt.“
„Man erkennt: Du bist verliebt. Von den Schachfiguren und ihrem Bett hast du dich arg entfernt. Die Liebe gibt der Nacht Wärme.“
„Du sagst es. Und dennoch, nachts gibt es auf der Strasse viele Menschen, die dorthin und hierhin gehen.“
„Bei meinem Gewicht braucht es schon mehr als ein Bisschen Einsamkeit, um mich auf die Strasse zu kriegen.“
„Herr Schnepfensskorn, Sie reden sehr selbstbewusst und überheblich über die Einsamkeit, so gekünstelt und über alle Realität hinweg. Sie lassen keinen Raum für die Gefühle.“
„Nicht doch. Die Einsamkeit produziert sehr kunstvolle Bilder. Die heulenden Weiber, die sitzen gelassen wurden und über die Strassen hinweg nach neuen Liebhabern starren. Ich sitze lieber bei meinem Braten. Bei dem weiss man wenigstens, wohin er geht. Nämlich in den Verdauungstrakt. Da weiss ich, was ich hab und was zu mir hält.“
„Die Einsamkeit“, warf die Frau, die Dritte in der Runde, ein, auf das Thema beharrend, „ist die riesengrosse Sehnsucht, aus diesem Selbst heraus zu kommen.“
„Schön gesagt“, meinte Wilhelm Schnepfensskorn, „das sehe ich oft, wenn ich abends und nachts kurz vor dem Morgengrauen das Labor verlasse, um draussen nach etwas frischer Luft zu schnappen. In der Nacht haben die Strassen und Lokale offene Arme für die Einsamen. Sie öffnen ihnen diese weit.“