sg Fiktion
Die Schönheit gewinnt erst durch die Bösartigkeit, welche sie begleitet, ihre volle Ausstrahlung. Schönes Schach stellt kein Liebesmahl dar. Es präsentiert sich als ein Mahl voller Raffinesse, welches von einem eigenwilligen Starkoch mit viel verwirrenden Kräutern und betörenden Ingredienzien gemäss seiner Vorstellung zugerichtet wird. Die Schönheit ist ein Gericht der besonderen Art. Der Koch erkämpfte seine Stellung in der Küche in harter Arbeit. Seine geheimen Rezepte hievten ihn über die Konkurrenz, über welche das Urteil ebenfalls gesprochen wird, hinweg in die besondere Stellung; er wird sich hüten, Preis zu geben, was ihm seine Position sichert. Die Würze des Erfolgs liegt nicht allein in den Kräutern und Gewürzen.
Der Nachteil von auserlesenen Speisen – und so gesehen auch des guten Schachspiels – liegt darin, dass diese vollendet nur jener zu geniessen vermag, der über die notwendige Nase und den entsprechenden Gaumen verfügt, um zu erfassen, was die Speisen an Reizen frei geben. Den Feinheiten der Speisen vermag nicht auf den Grund zu kommen, wer nicht über genügend Übersicht über all die Möglichkeiten der Küche verfügt. Geruchssinn und Gaumen müssen zudem ohne Störung arbeiten, also gesund sein, damit die Speisen in all ihren Ausprägungen wahrgenommen werden. Mit einem Schnupfen im Gesicht lässt sich keine Speise kosten noch Schach spielen. Eine Pizza liegt dagegen drin und auch ein wütiges Holzfällerschach.
Zwischen guter Speise und gutem Schach besteht aber ein essentieller Unterschied. Das Gebilde auf dem Teller zerfällt mit jedem Bissen und ermattet mit der Wärme, die flieht, die sich nicht in der Speise halten kann, so dass sie erkaltet oder sich, wie etwa das Eis, erwärmt, wenn sie kalt zubereitet wurde. Einer lauwarmen Speise mangelt es in der Regel bereits sehr stark an feinem Nervenkitzel. Erkaltete Nudeln schmecken nicht.
Ganz anders verhält es sich dagegen mit dem Schach. Eine Stellung im Spiel kann stundenlang Bestand haben, ohne dass sich viel ändert. Mit jeder Minute offenbaren sich aber neue Möglichkeiten für ein gewitztes Weiterspiel, das der Schönheit seinen Tribut zollt. Schönheit bietet sich als Genuss an, der solange wie nur möglich ausgekostet werden muss. Dazu eignet sich das Schach vorzüglich.