sch-ach-sf-Gerechtigkeit

sf Gerechtigkeit

 

Wenn man mit geschlossenen Augen am Rande eines öffentlichen Schachspiels steht, dann ist man mit den Anderen auf einmal über die Geräusche des Schachs verbunden. Jedes Klack, welche die Figuren erzeugen, wenn sie auf den Boden gesetzt werden, gewinnt an Bedeutung. Die Heftigkeit, mit welcher die Figur auf dem Boden gestellt wird, verrät viel über den Verlauf des Spiels, über Hektik, Nervosität, kühle Berechnung, Triumph. Die Abstände zwischen den Klacks geben Auskunft über den Rhythmus des Spiels. Auch das Raunen der Zuschauer entwickelt sich zu einem Barometer, der über die Entwicklung des Spielverlaufs Kunde gibt. Begabte Horcher hören aus dem Laut, mit dem die Figuren platziert werden, heraus, um welche Figur es sich handelt. Die Zwischenrufe, denen nicht zu trauen ist, erfahrungsgemäss; die stillen Zeiten zwischen den Zügen; sie können zu völlig falschen Interpretation über die Fortschritte auf dem Schachbrett führen. In den stillen Zeiten kann ein Zug lautlos ausgeführt worden sein, und es kann auch keiner ausgeführt worden sein. Denn das Schweigen des Pokerfacespielers beim Verschieben einer Figur bleibt ohne Hall, dessen aber ein des Hörens wenig geübter Sehender bedürfte. Da verfügen jene, die des Augenlichts beraubt auf eine andere Weise sehend sind, anderer Sensoren als das Auge. Ein still ausgeführter Zug täuscht diese nicht. Der Pokerface wird transparent. Die Blinden spüren an den Bewegungen, welche um sie herum sind, was auf dem Feld vor sich geht, und mit grosser Spannung wird verfolgt, was wohl der Zug für einen Wert darstellt, der gezogen wurde. Das Hören auf das Schach stellt eine ganz besondere Kunst dar. In dieser kennt sich nicht jeder aus, wie sich auch nicht jeder im Schach auskennt. Blind ist jener, der das, was auf dem Schachbrett geschieht, nicht durchschaut und darum die Schönheit des Spiels nicht wahrnimmt.

Wenn nun der Schach-Unkundige, also solche, welche die Schachregeln in und auswendig beherrschen, das schöne Spiel aber nicht erkennen, am Spielfeldrand stehen, nennt sich schönes Spiel verlorene Liebesmüh. Der gute Spieler bemüht sich daher durch ein paar geschickte Züge das Spiel so schnell wie möglich zu beenden. Es sei denn, er habe eine diebische Freude daran, die Zuschauer so lange wie möglich an der Nase herum zu führen. Jeder Zug, den das Volk nicht durchschaut, sondern als ein etwas wirres Produkt eines Künstlers erachtet, bildet für dessen Urheber einen ganz vorzüglichen Genuss, den allein der Schöpfer voll aus zu kosten weiss.

Der geistige Gaumenkitzel mundet dann doppelt. Denn der gewiefte Spieler labt sich ebenfalls am Verdruss, den sein schalkhaftes Spiel bei den Zuschauern bewirkt, weil sie das Spiel nicht durchschauen und konsterniert mit verfolgen, was sich auf dem Spielfeld entwickelt oder aus ihrer Sicht vielmehr verwickelt.

Fortsetzung

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