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Um diesen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen, sie richtig auszudeuten und danach in bekannte Systeme schlüssig einzuordnen, bedurfte es eines enormen Zeitaufwands. Erst eingefügt in eine Ordnung, die auch Andere durchschauten, konnte das Erkannte gewinnbringend umgesetzt werden, etwa als Medikament oder neuer Rohstoff.
Die Nanotechnik erlaubte es, in solche Verbindungen einzugreifen. Die Kenntnisse darüber luchste der Forscher in schwerer Gedanken- und akribischer Feinarbeit der Materie ab. Die Nanotechnik vermochte in die feinsten Komponenten der elementaren Strukturen hinein zu dringen und dort Änderungen anzubringen. Diese sollten mit der Zeit immer stärker das Leben des Menschen erleichtern, Verbesserungen erbringen, zu seinem Wohle eingesetzt werden.
Die Arbeit am Mikroskop gestaltete sich angenehm verglichen zu jener in den hermetisch abgeschirmten Räumen, wo er sich in diese schweisstreibende Kluft stürzen musste, um die Produkte der unter den Mikroskopen ausgetüftelten Experimente nicht nur im Kopf, sondern auch im Experiment selber zu überprüfen und zu verbessern. Weder die Ausdünstung des eigenen Körpers noch die Konstruktionen in den Reagenzgläsern durften sich gegenseitig beeinflussen. Zwischen Körper und Glas war jeder Kontakt verboten. Diese Schutzräume hasste er. Doch, sagte er sich: Die Wissenschaft fordert ihre Opfer.
Er mied, so weit es ging, die klinisch reinen Überwürfe, die mit ihren Masken sogar den Schutz von Nase, Mund und Augen gewährleisteten und sicher stellen, dass auch rein gar nichts vom arbeitenden Menschen in den Arbeitsraum hinein drang und so das Resultat der Untersuchung verfälschte. Auch durfte im Gegenzug keine Emission von giftigen Stoffen aus dem Raum auf den Menschen hinüber wechseln. Der eigene Körper musste gänzlich abgeschirmt werden.
Die Anzüge waren wirklich nicht angenehm und nicht angetan, zu begeistern. Steckte man in diesen, kam man sich vor, als befinde man sich selber unter einer Mikroskoplinse; derart ungestalt wirkten die Übergewänder, die nur auf Zweckmässigkeit ausgerichtet waren. Die Augen steckten hinter Gläsern so gross wie jene von Insekten, die Hände in Handschuhen, die das Gefühl von Präservativen vermittelten. Sogar die Schuhe dienten als hermetischen Schutz. Jedes Mal wenn er diese Pest anzog, musste ihm der Gehilfe zu Hilfe eilen.
All dieses Ungemach hatte wenigstens den einen Vorteil, dass er sich, eingepackt wie ein Kleinkind, das winters in einen Kinderwagen gesetzt wird, um einen Ausflug zu unternehmen – ohne es zu fragen, wohlgemerkt, das Gerede von Kurt Schuster nicht unendlich lang anhören musste. Diesem verging in dem Anzug jeweils nach sehr kurzer Zeit die Lust am Reden. Sogar dieser geriet in diesen Klamotten, die den Menschen abschotteten, ins Schwitzen, obwohl er wirklich nicht fett von Gestalt war.